Smells Like Real Racing          

20,8 km Streckenlänge, 33 Links- und 40 Rechtskurven, die wohl schönste Landstraße der Welt und das Alles ohne Gegenverkehr. Die Nordschleife, liebevoll (und nicht grundlos) auch "Grüne Hölle" genannt.

Anlass dieser sehr sportlichen Tour mit dem X1/9 war die Tatsache, dass ich durch Zufall an zwei Gutscheine für eine Mitfahrt in der legendären Zakspeed Viper gekommen bin. Es handelt sich dabei um einen waschechten Rennwagen, der im Renneinsatz bereits beachtliche Erfolge vorweisen kann, so zum Beispiel erst kürzlich den zweiten Platz beim 24-Stunden Rennen. Diese Mitfahrt ist nichts für Vorwärtseinparker, das ist schon im Vorfeld klar. Das Rennteam von Zakspeed residiert direkt am Nürburgring und bietet diese besondere Art, die Nordschleife zu "erfahren", prinzipiell für Jedermann an - gegen einen gewissen Obolus, das versteht sich doch von selbst, oder? Glücklicherweise hatten wir die Gutscheine!

Fangen wir vorne an: der Renntermin ist schnell vereinbart, im Internet sind freie Zeiten auf der Zakspeed-Seite ersichtlich, ein kurzes Telefonat mit der netten Dame vom Rennstall und schon wird der Termin per Fax bestätigt. In unserem Fall ist es Sonntag, der 15. Juli. Eine nette Pension direkt in Nürburg wird am selben Tag gebucht, so bleibt für meinen Kumpel Paddy und mich die Frage der standesgemäßen Anreise zu klären. Da gibt es die bequeme Variante mit dem Familienfahrzeug, einem BMW 5er Diesel-Kombi, oder aber die lautere und langsamere Variante mit meinem blauen Playmobil. Dieser Bericht würde hier nicht erscheinen, wenn wir tatsächlich die erste Variante gewählt hätten.... Ausschlaggebend für die Wahl des X1/9 ist, neben dem Fun-Faktor, natürlich auch die Tatsache, dass wir mehr über die Nordschleifen-Tauglichkeit eines mittlerweile 32 Jahre alten X1/9 herausfinden wollen. Wie gut oder schlecht ist man damit zwischen den ganzen modernen Autos unterwegs? Dem einen oder anderen Leser dieser Zeilen dürfte bekannt sein, dass unser X-Pilot "Berserker-Ralf" seinen hellgrünen X des Öfteren durch die grüne Hölle quält, nun wollen wir es ihm gleichtun.

Der Wettergott ist uns gnädig, nach wochenlangem Dauerregen scheint die Sonne mit einer wahnsinnigen Intensität. Der Sommer ist wieder da! Nach 560 km Autobahn (glücklicherweise ohne Stau) sind wir gegen 16:00 Uhr am Ring. Die Pension ist schnell bezogen und es geht ab zum Parkplatz vor der Zufahrt zur Nordschleife. Dort haben sich bereits viele andere Nordschleifen-Fans eingefunden, die, genau wie wir, nur darauf warten, dass der Ring für die sogenannten "Touristenfahrten" frei gegeben wird.  Normale Autos sieht man hier allerdings eher nicht. Die Porsche und Ferrari-Dichte ist schon sehr, sehr hoch - am Samstag sind allein drei Porsche Carrera GT auf dem Platz.

 

Das Mindeste sind BMW's aus der M-Serie, Autos unter 100 PS sehe ich eher gar nicht, alte Autos sind stark in der Minderheit... Die Kfz-Kennzeichen der Wagen spiegeln halb Europa (und mehr) wieder. Viele Engländer, Holländer, Franzosen und die skandinavischen Länder sind vertreten. Nordschleifen-Fans kommen sogar aus Saudi-Arabien angereist, um hier ihre Runden zu drehen!

 

 

Ein echter Nordschleifen-Fan

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Amtssprache auf dem Parkplatz ist Englisch. In Gesprächen mit den anderen Wartenden erfahren wir, dass es Menschen gibt, die sich nur für den Ring einen Sportwagen kaufen und hier fast jedes Wochenende herfahren, um den Wagen "artgerecht" zu nutzen. Die Sprüche auf den Autos bestätigen das: "To own a GT3 and never use it on a track is like never fuck a supermodel".

Vor das Vergnügen hat der liebe Gott (in diesem Fall die Nürburgring GmbH) allerdings noch den Kassenautomaten gesetzt. Nur gegen ein geringes Entgelt ist die Benutzung der Schleife möglich. In unserem Fall sind es 124,-- Euro für eine 8er-Karte. Dann geht es aber endlich los!

 

 

 

 

Werksporsche, am Steuer

(hier schlecht zu sehen)

Walter Röhrl!

 

 

 

Die Schranken werden geöffnet und sowohl Autos als auch Motorräder drängen sich vor den drei Einfahrten.

Wir warten noch ein wenig, bis sich der erste Ansturm abgebaut hat und dann sind auch wir an der Reihe. Die Streckenkarte auf dem Schoß des Beifahrers und entsprechende Hinweise (nächste Kurve stark rechts) helfen Anfängern wie uns ungemein dabei, mit dem schwierigen und sehr anspruchsvollen Kurs klarzukommen. Obwohl ich vor Jahren bereits dann und wann mal hier gefahren bin, kann ich diese Art der Unterstützung jetzt gut gebrauchen.

Schnell wird klar, dass wir zu den langsameren Autos auf dem Kurs gehören. Die modernen Autos und erst recht die Motorräder zischen nur so an uns vorbei. Der Blick in den Rückspiegel ist hier sehr wichtig, um die anderen nicht auf der Jagd nach neuen Bestzeiten zu stören. Natürlich gibt es Regeln für die Benutzung dieser "Landstraße", so darf z.B. nur links überholt werden. Auf der Suche nach der Ideallinie ist das jedoch nicht immer praktizierbar. Irgendwann erreichen wir wieder die "Döttinger Höhe" und fahren zurück auf den Parkplatz zum Fahrerwechsel. Dort entdecken wir so nebenbei Walter Röhrl in einem weißen Werks-Porsche! Leider wird kurz darauf die Strecke wegen mehrerer gleichzeitiger Unfälle gesperrt und wir kommen heute nicht mehr zum Fahren. Vielleicht ist es auch ganz gut, so haben wir eine Nacht lang Zeit, die Eindrücke zu verdauen.

Am nächsten Morgen geht es früh weiter, die Nordschleife öffnet heute um 08:00 Uhr ihre Schranken!

Unsere Mitfahrt in der Zakspeed Viper ist auf 11:30 Uhr gesetzt, wir haben also noch Zeit, selber ein wenig zu fahren. Das geht jetzt auch los und wir merken schnell, dass wir mit jeder Runde besser mit dem Kurs klarkommen. Der rechte Blinker, als Zeichen für schnellere Fahrzeuge zum Überholen, muss weniger häufig betätigt werden. Natürlich rauschen trotzdem jede Menge Fahrzeuge im Wert eines Einfamilienhauses an uns vorbei. Technisch macht der X die Tortur sehr gut mit, Drehzahlen bis 6000 U/min sind kurzfristig kein Problem. Vor der Ausfahrt kommt es immer zum Stau, durch das manuelle Zuschalten des Kühlerlüfters entstehen jedoch nie große Hitzeprobleme.

Nach drei Runden machen wir eine Pause auf dem Parkplatz. Zu dem Zeitpunkt kommen "unsere" zwei Zakspeed Vipers auf den Platz gefahren. Sofort werden die Autos umringt, die Piloten können kaum aussteigen. Am Zakspeed-Bus melden wir uns an und können unsere Fahrt sogar etwas früher antreten.

Eine kurze Anprobe vom Helm (mit Sprechfunk) und schon werden wir zu den Fahrzeugen gebracht. Beim Einsteigen ist Vorsicht geboten, die breiten Seitenschweller und auch viele andere Blechteile sind brennend heiß, weil dort der Auspuff entlang läuft. Noch eine kurze Korrektur vom Helm und schon fällt jeder von uns in den Schalensitz einer Viper. Das Anlegen des Hosenträgergurtes übernimmt freundlicherweise der Helfer von Zakspeed, vor lauter Aufregung bekomme ich die Prozedur selber auch nicht wirklich fehlerfrei hin!

Der Blick nach vorne ist gewöhnungsbedürftig: die Scheibe gibt nur ein relativ kleines Blickfeld frei und die feuerrote Motorhaube scheint sich ins Unendliche zu strecken! Der Pilot gibt mir die Hand und stellt sich vor, dabei checken wir gleich, ob der Funkkontakt in Ordnung ist. Nach der routinemäßigen Frage, ob ich die Nordschleife kennen würde (Antwort: nicht wirklich, bisher nur ein Paar Mal gefahren) reißt der Mann den Motor an. Die 450 PS des Zehnzylinders melden sich wie ein Inferno zu Wort und wollen genutzt werden. 630 Nm liegen bei 3600 U/min an, das reicht für eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4,6 Sek. Der Sound ist schon jetzt im Standgas mehr als beeindruckend. Nach der Durchfahrt der Schranke jedoch fehlen mir mehr und mehr die Worte. Sämtliche hochkarätigen Sportwagen, die uns vorher locker überholt haben, werden mit einer Leichtigkeit umfahren, die nur jemand an den Tag legen kann, der den Kurs 100% beherrscht und auch noch das entsprechende Auto fährt. Ein Porsche GT3 kommt einem vor, wie ein stehendes Hindernis!

Vor und in den Kurven spüre ich massive Fliehkräfte, die mich in den Sitz drücken. Auch die Bergauf- und Bergab-Passagen sind nicht ohne! Mein Pilot erklärt mir per Sprechfunk die verschiedenen Passagen der Strecke, ich kann allerdings nur bedingt folgen, weil der Geräuschpegel sogar die Verständigung per Funk erfolgreich verhindert. Vorm "Brünnchen" erzählt mir der Pilot etwas von "Showtime" und geht vor der Menge der Schaulustigen im gekonnten Drift quer durch die Kurve! Getreu dem Motto: "Gas ist rechts und Fliegen gehören auf die Seitenscheibe" wird die Kurve am "Pflanzgarten" auch quer genommen. Nach der letzten, ehemals von mir als schwierig empfundenen Passage, dem "Schwalbenschwanz" und dem "Galgenkopf" sind wir auch schon wieder auf der "Döttinger Höhe". Es sind keine 8 Minuten ins Land gegangen! Einerseits schade, andererseits wollten wir es ja genau so. Die Tachoanzeige in der Viper ist übrigens bewusst abgeschaltet worden, das ist vielleicht auch besser so...

Das Aussteigen geschieht wie in Trance. Auch mein Kumpel Paddy steigt total begeistert aus der anderen Viper. Das ist wirklich ein Erlebnis der besonderen Art. Wir unterhalten uns nach der Fahrt noch euphorisch mit der Zakspeed-Crew, einer der Fahrer hat gerade Pause und erzählt uns, dass er aus Sicherheitsgründen bei unserer Tour nur 80% oder 90% gegeben hat. Auf mehrfache Nachfrage, wie denn wohl die Höchstgeschwindigkeit bei der soeben gefahren Runde war, schätzt der Pilot diese auf ca. 260 km/h. Na denn....

Wir kehren zurück zum 75PS starken X1/9 und müssen die Eindrücke erst einmal verarbeiten. Jeder von uns hat jetzt noch zwei Runden im blauen "Sportwagen von 1975" vor sich. Erstaunlicherweise fahren wir die Runden sehr ruhig und auch gleichmäßig, fast gelassen. Ob das an den Erkenntnissen aus der Zakspeed-Mitfahrt liegt?

Dennoch bilden sich auf den Reifen lustige "Gummiklümpchen", das sieht ja fast Renn-mäßig aus!

Hinterher schlendern wir noch ein wenig über den Parkplatz und erfreuen uns an den Sprüchen auf den Autos:

Gegen 14:00 Uhr verlassen wir dann endgültig den Parkplatz und schauen am "Brünnchen" noch eine Stunde den Fahrzeugen zu.

Danach geht's wieder ab auf die Autobahn ins 560 km entfernte Hamburg! Ein wirklich geiles Wochenende ist vorbei....

Erledigt - aber glücklich!

Die Rückfahrt wurde zügig durchgezogen...

Fazit: Das Fahren auf der Nordschleife mit dem X macht auch heute noch Spaß, wenn man der Tatsache Rechnung trägt, dass der Wagen jetzt im Jahre 2007 gnadenlos untermotorisiert ist. Die grüne Hölle birgt ihre Risiken und Gefahren, da sollte man sich nichts vormachen und nichts schönreden. Der Kurs war allein an diesem Wochenende mehrfach wegen diverser Unfälle gesperrt. Nicht immer gehen die Unfälle lediglich mit Kaltverformungen des Blechs aus.

Die Mitfahrt in der Zakspeed Viper ist ein einmaliges Erlebnis der besonderen Art. Wer wirklich Benzin im Blut hat und die Nordschleife kennt, sollte sich hier mal zeigen lassen, wie's wirklich geht. Das vergisst man nicht so schnell!

Verweise: Für Interessierte hier einige Links:

Darüber hinaus finden sich im Internet diverse Foren, die sich mit der Nordschleife und den Touristenfahrten beschäftigen. Einfach mal "googeln", auch die Historie des Rings ist durchaus lesenswert.

(c) by Michael V.