Die Rennmöhre

Einstieg in den Amateur-Motorsport mit einem Fiat X1/9

Teil 1 - Was tun? Am Anfang war die Idee 

Harald Demuth, zweifacher deutscher Rallyemeister, sagte während eines Sichtungslehrganges: „Wenn Du nur ein begrenztes Budget hast und mit diesem Geld ein Auto schnell machen willst, dann fang bei den Reifen an und höre beim Motor auf! So holst Du das Beste aus dem Dir zur Verfügung stehenden Budget heraus“.

Hand aufs Herz - ist das nicht genau das Gegenteil von dem, was die meisten von uns, die sich mit „schnell machen“ beschäftigen, getan haben? Denn wer denkt bei dem Wort Tuning nicht erst an den Motor? Aber genau mit diesem Satz beginnt das Buch, welches uns während der gesamten Arbeiten an unserem Projekt „Rennmöhre“ begleitet hat. Der Titel des Buches lautet „Fahrdynamik in Perfektion“, geschrieben von Wolfgang Weber. Dass die Aussage von Harald Demuth mehr als nur einfach richtig ist, wussten wir, als wir die ersten Rennstreckenrunden gedreht hatten. Aber dazu später. Zunächst einmal beginnen wir am Anfang, bei der Intention für dieses Projekt. 

In den letzten Jahren ist Michael mit seinem „blauen Playmobil“ (Fiat X1/9 1300ccm, Baujahr 1975) des Öfteren bei Amateur-Motorsport-Veranstaltungen dabei gewesen. Das sind so genannte „Track-Days“ oder „Trainings- und Einstellfahrten“, teilweise auch Slalom-Rennen, wo letztendlich jeder Autofahrer, der im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis und eines Helms ist, teilnehmen kann.  

Die Konkurrenz bei diesen Veranstaltungen schläft nicht: vom serienmäßigen VW Käfer (durchaus forsch bewegt) über den ausgeräumten CRX mit Kriegsbemalung und Kampfspuren, die den Fahrer bereits im Stand zum Helden erklären, bis zum fahrenden Überrollkäfig mit Monster-V8 ist alles dabei. Aber selbst wenn der Käfer noch nieder zu ringen ist und die Veranstaltungen auch mit einem Serien-X1/9 richtig Spaß machen, ist doch bald der Ehrgeiz geweckt. Man muss irgendwie schneller werden, aber wie? Am Fahrer kann es ja schließlich nicht liegen... 

Der erste Schritt ist, an der einen oder anderen Stelle am Fahrzeug Dinge zu optimieren. Das beginnt in aller Regel mit den allseits bekannten und beliebten Zubehörteilen: Sowieso leicht tiefer gelegt, wurden Domstrebe, Stahlflex-Bremsleitungen, gebrauchte Sportsitze und einiges mehr angeschafft. Alles nicht sehr teuer und auch im Straßenverkehr problemlos zu vertreten. Auch die Reifen waren schnell optimiert: Ein Satz Semi-Slicks und dazu ein extra Satz Felgen, so dass man schnell von Straßenreifen auf Slicks wechseln kann, je nach Einsatzzweck. Stellt man es geschickt an, bekommt man die Semis auch ins Auto, so dass man bequem und materialschonend auf eigener Achse anreisen kann. Nun hatte man schon mal das Gefühl, ein richtig getuntes Auto zu haben. So weit - so gut. 

Leider war man aber im Vergleich zu anderen Fahrzeugen dadurch nicht wirklich viel schneller geworden. Das Leistungsgefälle war immer noch dramatisch - und damit auch die Konsequenz klar: Radikalere Maßnahmen müssen ergriffen werden, bevor das Ego leidet. Aber was tun, wenn ein originales, leicht tiefergelegtes X1/9-Fahrwerk zwar im Straßenbetrieb sehr gut ist, auf der Rennstrecke jedoch schnell an seine Grenzen gelangt. Auch ernsthafte Gewichtsreduzierung wäre eine Option, lässt dem geliebten Blechkeil jedoch bei der nächsten Prüfung durch TÜV und/oder Ehefrau keine Chance. Kurzum: Mit jeder weiteren Modifikation wäre der Wagen für den normalen Straßenbetrieb immer unkomfortabler geworden…   

Zu diesem Zeitpunkt im Sommer 2010 waren ein paar Freunde der Hamburger Scuderia mit ihren Motorenprojekten beschäftigt. Wir trafen uns einmal wöchentlich, um ein paar Schrauben zu drehen und mit ölbeschmierten Händen ein paar gepflegte Biere zu leeren. Joachim hatte wie Michael schon Track-Days gefahren, allerdings mit dem Motorrad. Auch Höller hatte schon ein paar Nordschleifen-Runden auf dem Buckel. Der Ausblick, nach all den Straßenprojekten nach allen Regeln der Kunst mal einen besonderen Wagen zu bauen, tat sein übriges. So dauerte es letztendlich nur ein paar Kisten Bier, bis Michael die ganze Bande mit seinem Renn-Virus infiziert hatte.  

Und dabei war eines schnell klar: Wenn, dann richtig. Genug Fahrzeuge für die Straße waren vorhanden, also würde es Sinn machen, ein Auto speziell für den Zweck „Amateur-Motorsport“ aufzubauen. Der Wagen sollte zwar durchaus eine Straßenzulassung haben (u.a. wegen der Probefahrten), aber eigentlich nur auf dem Track bei Veranstaltungen bewegt werden.  

Es war dabei nicht von Anfang an klar, dass es ein X1/9 werden sollte. Nicht nur das hohe Gewicht der Karosse ließ uns hieran zweifeln. Es gibt durchaus viele andere Fahrzeuge, die einen leichteren Einstieg für unseren Zweck geboten hätten. Bei den abendlichen Diskussionen stand jedoch recht schnell fest, dass unser Projekt einige zwingende Voraussetzungen zu erfüllen hatte: 

  1. Heckantrieb
  2. bezahlbar
  3. Schrauben in Eigenregie muss möglich sein

Wenn man sich anschaut, was der Markt so hergibt und welche Fahrzeuge bei Amateur-Veranstaltungen dieser Art ansonsten dabei sind, dann bleibt die Auswahl, abgesehen von ein paar Exoten, übersichtlich. Natürlich ist ein Porsche 911 eine wundervolle Waffe für diesen Zweck, aber das Thema Bezahlbarkeit kann dabei ganz schnell aus dem Ruder laufen. Viele Teilnehmer sind auf den alten BMW’s (E30, E36) unterwegs, oftmals auch als M3. Solche Fahrzeuge bekommt man heute schon für relativ „schmales Geld“ am Markt. Für den Umbau zum „Rennwagen“ sind bei den BMWs nur wenige Modifikationen nötig: Reifen/Felgen, Innenraum leerräumen, Käfig, Schalensitze, H-Gurte, um die wichtigsten Dinge zu nennen. Der Motor hat Leistung im Überfluss, die Bremsanlage ist auch schon sehr gut, da sind keine Arbeiten notwendig. Und Rennsport-Teile sind über die üblichen Händler sehr gut verfügbar. Darüber hinaus - Nahkampf, Kiesbett und Fangzaun lassen grüßen - sind Blechteile sehr preiswert. Alte Opel haben auch Heckantrieb, auch das wäre eventuell in die nähere Betrachtung zu ziehen. Porsche hatte seinerzeit das sehr interessante Transaxle-Konzept mit der 924S / 944 Baureihe umgesetzt, diese Porsche haben sehr viel Potenzial und sind erst seit kurzem dabei, wieder im Preis anzuziehen. Mercedes der Baureihe W201 (190er) sind für diesen Zweck erst einmal deutlich zu schwer, da müsste es dann schon der 2,3 16V sein. 

Was haben denn die Italiener zu bieten? Anbieten würden sich die alten Abarth’s mit Heckmotor. Da gibt es eine rührige Szene, die Teileverfügbarkeit ist gegeben und es gibt sogar eine eigene Rennserie (Abarth-Coppa-Mille). Mit ca. 100PS aus einem Liter Hubraum sind die Dinger echte Rennzwerge! Und Alfa ist natürlich auch immer ein Garant für sportliche Basisfahrzeuge… 

Und so ging die Diskussion immer weiter. Wir möchten das an dieser Stelle nicht überreizen - dieser Bericht würde hier nicht stehen, wenn wir uns für eine der o.a. Alternativen entschieden hätten. Haben wir aber nicht - wir haben einen X1/9 gewählt!

Warum? Das ist die entscheidende Frage! 

Alle Beteiligten kommen aus der X-Szene, haben schon diverse X1/9 bis auf die letzte Schraube zerlegt und wieder zusammengesetzt und außerdem über die Jahre ein stattliches Ersatzteillager angehäuft. Durch frühere Einkaufsaktionen lagen bereits viele Einstiegs-Rennteile (Gewindefahrwerk, Doppelvergaser, Schalensitze, Domstrebe, Semi-Slicks, Felgen, usw.) im Regal. Motorenprojekte liefen ebenfalls bereits. Bei jedem anderen Fahrzeug hätten wir technisch und logistisch wieder „bei Null“ beginnen müssen.  

Aber das ist nur die eine Seite: Neben der beim X1/9 durch den Mittelmotor grundsätzlich sehr guten Straßenlage stand sehr schnell das Killer-Argument im Raum: Warum einen seelenlosen BMW fahren, wenn wir es mit dem Auto realisieren können, an dem unser Herz hängt! 

Es konnte also losgehen, wir brauchten „nur noch“ ein Basisfahrzeug. Aber Eile war zunächst nicht geboten. Joachims X1/9 stand noch in Michaels Garage und ließ sich den Unterboden lackieren. Michaels 850er sollte ein paar zusätzliche PS erhalten und - ach ja - die ganze Werkstatt voller halbfertiger X1/9 Motoren... Also erst einmal ein Bier trinken und im Internet umsehen. Eines war dabei klar - ein 1300er musste es sein. Vorteil: Zum 1500er fehlen ihm einige Kilos. Nachteil: Wann habt Ihr die letzte gut erhaltene 1300er-Karosse zum Spottpreis angeboten bekommen? Einige interessante Ruinen schienen im Süden der Republik zu stehen, leider für uns von Hamburg aus also nicht mal eben kurz zu besichtigen. 

Letztendlich wurden wir von unserem Auto dann förmlich überrollt, denn unsere Überlegungen waren noch nicht einmal ganz zu Ende gedacht, da bekamen wir unsere Rennmöhre von einem alten Bekannten angeboten. Ein 1300er X1/9, Baujahr 1978, mit ehemaligem Unfallschaden, mittlerweile über 20 Jahre stillgelegt.  

Das schönste am Auto war, dass wir es kannten. Und zwar sogar ziemlich gut. Der Höller hatte vor einiger Zeit den Auftrag bekommen, das Auto technisch zu richten und für den TÜV zu rüsten. Die verbleibenden Rostlöcher (und davon waren am Unterboden einige ausgewachsene Exemplare zu bewundern) sollten dabei allerdings erst in einer späteren Sitzung wirklich instandgesetzt werden. Zunächst einmal musste eine Familienpackung Poppnieten und Karosseriedichtmasse reichen. 

Trotzdem, nicht zuletzt weil Höller seine Projekte in der Regel per Fotoapparat sehr gut dokumentiert, konnten wir uns frühzeitig auf den Zustand vorbereiten. Und auf Höllers Einschätzung kann man sich in der Regel verlassen. Von oben sah das Auto recht gut aus. Frische, wenn auch alles andere als perfekte Lackierung, mit dezenten Kotflügelverbreiterungen und ohne Stoßstangen, da war es dann auch nicht so schlimm dass das Auto rot war - auf der Rennstrecke könnte das vielleicht sogar gut aussehen.  

Abgerundet wurde das Paket von einer guten Innenausstattung und sehr vielen technischen Neuteilen wie Fahrwerksbuchsen, Bremsen und vieler sonstiger Verschleißteile. Als Krönung waren sowohl eine Weber Doppelvergaseranlage und eine elektronische Zündanlage verbaut. Der Preis war heiß, also schlugen wir zu! 

Inzwischen war es Herbst geworden, also schnell alle anderen Projekte zur Seite geschoben und los geht‘s! Schließlich wird die Rennsaison 2011 nicht auf uns warten. Und was machen wir als erstes? Natürlich: Michael meldet die nicht fahrbereite Ruine zum Saisonstart in Papenburg an! 

Im nächsten Teil: Restauration und ein netter TÜV-Mann.  

Fortsetzung zu Teil 2

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© by Michael Vaillant, Joachim Clausen, Höller Martens